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Für den Fachhandwerker ist es nichts Neues und auch viele informierte Endkunden kennen die Vorteile eines
hydraulischen Abgleichs: Laut Ergebnissen des Forschungsprojektes Optimus der FH Wolfenbüttel, heute Ostfalia
Hochschule, sind durch die Optimierung einer Anlage Energieeinsparungen von bis zu 10kWh pro Quadratmeter und
Jahr (entspricht rund 1 Liter Öl oder 1 m3 Gas), in baulich modernisierten Gebäuden sogar zwischen 15
und 19
kWh/m2 a, möglich. Trotzdem sind über 80% der Anlagen in Deutschland nicht abgeglichen. Denn um einen
hydraulischen Abgleich durchzuführen, muss die Raumheizlast bekannt sein – und dies ist gerade im Bestand selten
der Fall.
Momentan gibt es zwei Verfahren zur Berechnung der Heizlast, Verfahren A und Verfahren B. Was macht sie aus? Wie
lässt sich ein möglichst genaues Ergebnis für eine hohe Effizienz auch im Bestand erzielen? Und mit welchem
Verfahren kann von welchen Förderungen profitiert werden?
Ohne Heizlastberechnung kein hydraulischer Abgleich
In einem hydraulisch abgeglichenen System ist das Fließverhalten des Heizungswassers optimiert und jeder
Heizkörper erhält eine berechnete, definierte Wassermenge. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger! Konkret
bedeutet das: Die hydraulische Einregulierung sorgt dafür, dass für alle Heizflächen die gleichen Widerstände
erzeugt werden. So wird verhindert, dass sich das Wasser den Weg des geringsten Widerstandes sucht – und über-
bzw. unterversorgte Räume gehören der Vergangenheit an. Insgesamt führen drei Schritte zum hydraulischen
Abgleich:
- Ermittlung der Raumheizlast
- Ermittlung der Wassermenge pro Heizfläche
- Ermittlung der Voreinstellung
Das Ziel der Heizlastberechnung liegt in der richtigen Einstellung aller Komponenten wie Differenzdruckregler,
Ventile oder Pumpen, um das Heizsystem dadurch effizienter sowie kostensparend zu gestalten und komfortables
Heizen zu ermöglichen.
Mit der Heizlast zur richtigen Auslegung und Dimensionierung der Anlage
Die Heizlastberechnung ist laut Definition die Ermittlung, wie viel thermische Energie/Wärme einem Raum/Gebäude
zugeführt werden muss, um dortige Wärmeverluste auszugleichen und eine definierte Raumtemperatur zu erreichen.
Einfluss auf den Wärmebedarf beziehungsweise -verlust haben unter anderem die Außentemperatur, die
Dämmung/Gebäudehülle, Fenster/Türen, die Fläche der Außenwände, die gewählte Raumtemperatur, aber auch das
Lüftungsverhalten und Energiegewinne, sogenannte „innere Lasten“, wie beispielsweise Elektrogeräte oder
Sonneneinstrahlung. Die errechnete Heizlast ist stets Grundlage für die Auslegung und Dimensionierung von
Wärmeerzeuger, Rohrnetz und Heizflächen. Liegt eine Unterdimensionierung vor, kann im Auslegungsfall das
gewünschte Temperaturniveau nicht erreicht werden. Beim Neubau ist die Berechnung der Heizlast mittlerweile
Vorschrift in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil C (VOB/C) und auch bei Arbeiten im Bestand
gilt VOB/C als konkludent vereinbart. Zudem ist die Berechnung der Heizlast Voraussetzung für die Vergabe von
Fördermitteln und stets Grundlage für einen belastbaren hydraulischen Abgleich. Gerade wenn es um den
Gebäudebestand geht und notwendige Daten etwa zum Rohrnetz fehlen, ist die entscheidende Herausforderung im
Alltag, die Höhe des Aufwands und die Genauigkeit der Ergebnisse gut abzuwägen. Denn je höher der Aufwand, desto
höher auch der Genauigkeitsgrad des Ergebnisses.
Heizlast nach Tabelle: Verfahren A
Momentan werden bei der Ermittlung der Heizlast zwei Verfahren angewandt. Das Verfahren A ist im Sinne der VOB/C
die werkvertraglich geschuldete Regelleistung und darf im Rahmen der Förderung nur angewendet werden, wenn die
beheizte Fläche 500 m2 Wohnfläche je Heizkreis mit eigener Pumpe oder eigenem
Strangdifferenzdruckregler nicht
überschreitet. Wichtig: Wenn keine anderen Vereinbarungen getroffen wurden, gilt das Verfahren A (Regelleistung)
als Mindeststandard als vereinbart. Die Heizlast wird in Anlehnung an die DIN EN 12831 überschlägig abgeschätzt
nach Baualtersklasse und Quadratmeterzahl. Der Wärmebedarf in W/m2 ist grob je nach Baujahr in
Kategorien
eingeordnet, verschiedene Tabellen zur Einschätzung sind vorhanden. Dies hat den Vorteil, dass schnell abgelesen
werden kann, aber das Verfahren liefert nur unzureichende Ergebnisse mit Abweichungen von bis zu 400 Prozent zur
tatsächlichen Heizlast. So wird unnötig viel Einsparpotenzial verschenkt.
Heizlast nach Norm: Verfahren B
Das Verfahren B setzt eine Planungsleistung voraus und erreicht einen höheren energetischen Standard. Als
Premiumleistung muss es allerdings separat beantragt werden, ist dafür aber für alle weiterführenden staatlichen
Förderungen wie BAFA und KfW anerkannt. Im Neubau ist die Ermittlung der Heizlast und der Rohrnetzberechnung
relativ einfach, beides erfolgt im Rahmen der Anlagenplanung mit Hilfe einer Planungssoftware. Im Bestand sieht
das anders aus: Verwendete Baustoffe und große Teile des Rohrnetzes sind oft nicht sichtbar. Das führt zu
Schwierigkeiten bei der Berechnung. Deshalb lässt sich die raumweise Heizlast mittels eines softwarebasierten
Näherungsverfahrens ermitteln, was den Anforderungen der DIN EN 12831 entspricht. Eine Schätzung von Rohrlängen
und Rohrdimensionen ist hier zulässig. Hilfreich sind auch die U-Werte nach Typologien. Der U-Wert ist ein
bauteil- oder materialspezifischer Kennwert je (Dämm)Stoff – je größer der Wert, desto geringer ist die
jeweilige Dämmfähigkeit. Durch die näherungsweise Rohrnetzberechnung werden die Voreinstellwerte der Ventile
ermittelt.
Ein praktisches Helferlein ist hier die Heizlastberechnungs-App von Resideo, die bei der Berechnung der Heizlast
alle Anforderungen des Verfahrens B erfüllt. Da die Berechnung auch offline funktioniert, eignet sie sich
besonders für die Anwendung vor Ort. Steht wieder Internet zur Verfügung, erstellt die App eine Excel-Liste mit
allen erfassten Daten, die dann nach Projektabschluss an eine beliebige E-Mail-Adresse verschickt werden kann.
Jeder Nutzer kann in der App eigene Projekte oder Gebäude in beliebiger Anzahl anlegen. Durch die Bewertung von
an Außenluft-, Erdreich oder unbeheizte Räume grenzende Bauteile (Wände, Decken, Dachflächen oder Fenster) wird
die Raumheizlast ermittelt und die App gibt die idealen Ventilvoreinstellungen an. Welches Ventilmodell – ob
Modell VS/FS oder Kombi-TRV – der Nutzer einsetzen möchte, muss er zuvor in der App definieren. Für die
Bestandsanlage mit in der Regel unbekanntem Rohrnetz liegt die klare Empfehlung bei Verwendung des Kombi-TRV mit
integriertem Differenzdruckregler.
Anzugeben sind neben der Temperaturspreizung Vorlauf/Rücklauf und der Anbindelängen (Weg von Heizungspumpe bis
zum Heizkörper) „kurz/mittel/lang“, auch Raumdaten wie Grundfläche, Luftwechsel, Boden- und
Deckenbeschaffenheit. Dies ist dank übersichtlicher und vereinfachter Kategorien schnell erledigt. Die
Auslegungstemperatur kann entweder eingegeben oder automatisch erfasst werden, indem das Programm durch die
Ortungsfunktion die hinterlegte minimale Außentemperatur für diesen Standort ermittelt. In Kombination mit der
vorgegebenen Spreizung berechnet die App die Wassermenge sowie, unter Einbezug des Rohrnetzes, die
Ventilvoreinstellung.
Um den hydraulischen Abgleich gerade bei unbekannten Rohrnetzen weiter zu vereinfachen, ist das druckunabhängige
Honeywell Home Thermostatventil Kombi-TRV von Resideo neu in der Auswahl der Ventile enthalten. Es vereint
Thermostatventil und Differenzdruckregler. Das heißt, es muss nur der für den jeweiligen Heizkörper errechnete
Durchfluss direkt am Thermostatventil eingestellt werden. Die oben erwähnte Eingabe der Anbindelänge ist bei
Verwendung dieses Ventilmodells, bedingt durch den integrierten Differenzdruckregler, ohne Relevanz. Der
eingebaute Differenzdruckregler sorgt dann für einen konstanten Durchfluss auch bei den sich stets einstellenden
wechselnden Betriebsbedingungen. Das ist besonders praktisch für den Abgleich bei unbekannten Rohrnetzen, da der
Durchfluss auch bei wechselnden Betriebsbedingungen konstant gehalten wird.
Fazit
Über den Sinn und Zweck eines hydraulischen Abgleichs der Heizungsanlage muss nicht diskutiert werden. Und die
Berechnung der Heizlast, die für die Durchführung eines Abgleichs bekannt sein muss, ist auch im Bestand kein
Hexenwerk mehr. Es gilt die zur Verfügung stehenden Werkzeuge, respektive Programme zu nutzen! Je nach Projekt
und Gebäude kann das Verfahren A oder B angewandt werden, wobei das Verfahren B die genaueren Daten und das
größere Energieeinsparpotenzial bietet und darüber hinaus auch noch förderfähig ist.
Förderungen
-
BAFA Heizungsoptimierung
- Seit 1. August 2016 werden auch der hydraulische Abgleich am Heizsystem im Bestand sowie
Investitionen in die Optimierung des Systems durch voreinstellbare Thermostatventile, Strangventile
etc. gefördert.
- Förderung beträgt 30% der Nettoinvestitionskosten, höchstens 25.000€
- Online-Registrierung vor Maßnahmenbeginn durch den Gebäudebesitzer
- Verfahren A ist ausreichend für Förderung – schnell und einfach per Datenscheiber oder Tabelle,
jedoch sehr ungenau, da viel Potenzial verschenkt wird
-
KfW-Heizungspaket
- Investitionszuschuss „Energieeffizienz Sanieren“
- Zwingende Einbindung eines amtlich zugelassenen Sachverständigen
- Bis zu 30% Zuschuss je Wohnung
- Kombinierbar mit anderen Förderungen
- Vorgeschriebene Einbindung eines registrierten Energieberaters
- Hydraulischer Abgleich nach Verfahren B (Verfahren A ist nicht förderfähig)
Die Heizlastberechnungs-App
Autor:
Jürgen Lutz ist Leiter des Seminar- und Schulungswesens Heiztechnik bei Resideo. Er arbeitet im Standort
Schönaich.
Bildquelle aller Bilder: Resideo (Abdruck honorarfrei bei Nennung der Bildquelle)